Eine kleine Perle im Einheitsbrei – das Album „Gefallene Träume“ von Farbstoff. Durch Zufall das vollkommen kostenlose Album entdeckt, gesaugt und für gut befunden. Nicht nur sein Name klingt in Rapdeutschland eher ungewöhnlich, auch seine Lieder kommen mit frischen Ideen und vor allem eins, sehr persönlich daher.
Farbstoff a.k.a. Nero One macht mit „Medizin“ schon deutlich das Musik sein Ventil ist und so wirkt das Album manchmal fast schon wie seine eigene (Gruppen)Therapie. Ja, auch wer alleine rapt kann sich durchaus unterhalten, z.B. mit sich selbst und seinen verschiedenen Gesichtern. 1985 geboren lebt er in unserer Hauptstadt Berlin, was man ihm auch akustisch anhört. Umso mehr hebt er sich inhaltlich von seinen bekannteren Kollegen aus Berlin ab, welche ihm auch hörbar auf die Nerven gehen – sprichwörtlich „ein ganzer Block pro Woche“ 😉
Die sehr persönlichen Texte sind ehrlich und gespickt mit Selbstironie. Thematisch dreht sich das Album um Selbstkonflikte und seinen Werdegang, sowie die Frauenwelt, welche wohl ein paar Spuren hinterlassen hat. Aber auch die Gesellschaft, das Leben und natürlich die Musik kommen nicht zu kurz. Was jetzt ernst klingen mag ist sicher auch ernst gemeint aber mit so viel Wortwitz garniert das es deutlich Freude macht zuzuhören. Die positive Einstellung überwiegt, auch beim Blick auf schlechte Zeiten. Er zieht sich selbst durch den Kakao und scheint doch begriffen zu haben worauf es ankommt.
So liefert er „Die Anleitung“ zu gutem Rap gleich mit, was mich spontan etwas entfernt an Curse und seine „10 Rap Gesetze“ erinnert hat, wobei er einem beinahe aus der Seele spricht von welcher Art Rap man eigentlich gerne noch mehr hören würde. Selbst an diese Anleitung gehalten, liefert er mit „Gefallene Träume“ ein Album ab das mit 19 Tracks und 6 Skits eine CD endlich mal wieder voll ausreizt. Also die Rohlinge gezückt und ab dafür – doch gleich der erste Track „Der Vertrag“ stellt mit einem Augenzwinkern klar das du mit dem Download Rechte und Pflichten eingehst, entweder du weißt das Ding zu schätzen und verbreitest es oder du markierst am besten alles wieder und drückst einfach auf Entfernen. Und so zaubert seine Kreativität einem gleich zu Anfang ein Schmunzeln auf die Lippen.
Einige Beats mögen manchen sicher bekannt vorkommen, aber in Anbetracht das letztlich alles bei ihm zu Hause entstanden ist kann man ihm das nicht übel nehmen. Entsprechend klingt es auch nicht immer 100% perfekt gemastert aber dafür umso näher und nichtsdestotrotz wunderbar hörbar. So wird ebenfalls überwiegend mitziehender Sound geboten. Flow ist auch reichlich vorhanden, auch wenn hier noch ein bisschen gefeilt werden kann, vor allem bei den schnelleren Parts muss man schon mal genauer hinhören. Aber Reime fliegen einem nur so um die Ohren verbunden mit Texten die es in sich haben und in seiner ganz speziellen Art vorgetragen (wie z.B. einem lustig eingebautem Hustenanfall und Selbstgesprächen). So werden einige Tracks zu echten Perlen. Das Album als Ganzes mag nicht für jeden der absoluter Durchhörer sein, aber das liegt wohl alleine schon an den unterschiedlichen Entstehungsjahren der Songs … er ist sich ja oft selbst nicht einig ob der Track jetzt mit 2007 oder eigentlich doch früher betitelt werden muss. Dennoch ist mit Sicherheit für jeden etwas dabei der guten Rap und Mainstream-freie Musik zu schätzen weiß.
Und wer jetzt immer noch nicht weiß ob das der richtige (Farb)Stoff für ihn oder sie ist, lädt das Ding und hört einfach selbst rein: www.neroone.com
KOMMENTARE:
Eine sehr gelungene Kritik die sehr viel Spaß bereitet zu lesen und Interesse weckt!
Vielen Dank
Hab den Track „Die Anleitung (zu gutem Rap)“ vor ein paar Tagen bei der Sendung auf #musik gehört und war sehr begeistert! Hab mir das ganze Album besorgt und wurde nicht enttäuscht! Mehr davon!!!
MfG Micha